Das Alemannische Institut Freiburg e.V.

Organisation - Geschichte - Aufgaben
von R. Johanna Regnath

Alemannisch - grenzenlos! Unter diesem Titel veranstaltete das Alemannische Institut Freiburg i. Br. e. V. im Wintersemester 2007 in Freiburg eine Vorlesungsreihe mit den neuesten Ergebnissen zur Dialektforschung im alemannischen Raum. Der Titel - insbesondere sein Ausrufezeichen - wirkte provokativ und wurde in den Redebeiträgen auch kontrovers diskutiert, denn der alemannische Raum weist ja bekanntermaßen eine Vielzahl unterschiedlicher Grenzen auf.

Das Arbeitsgebiet des Alemannischen Instituts umfasst Teile von insgesamt fünf europäischen Staaten und bezieht alle wissenschaftlichen Fachrichtungen mit ein, die sich im weitesten Sinne mit Landeskunde beschäftigen. Es setzt sich zusammen aus dem größten Teil Baden-Württembergs, Bayerisch-Schwaben, dem Elsass, der deutschsprachigen Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein und dem österreichische Bundesland Vorarlberg. Es ist nicht nur von Staatsgrenzen, sondern auch von zahlreichen kleinen und großen Dialektgrenzen durchzogen (siehe Sprachkarte). Dennoch existiert ein Bewusstsein für diesen gemeinsamen alemannischen Raum, der vor allem als Sprachraum definiert ist, aber auch vielfältige historische Bezüge aufweist.

Die rund 200 gewählten Mitglieder des Instituts vertreten unterschiedlichste wissenschaftlichen Fachrichtungen, wie z. B. Geographie, Geologie, Germanistik, Geschichte, Dialektologie, Archäologie, Rechtsgeschichte, Landespflege und Botanik, Forstwissenschaft und Landesplanung, Kunst- und Architekturgeschichte, Gerichtsmedizin, Soziologie und andere mehr. Dass hier nicht nur Landesgrenzen, sondern zuweilen auch Fächergrenzen überwunden werden müssen, versteht sich von selbst.
Das Alemannische Institut bietet seinen Mitgliedern für die internationale und interdisziplinäre Erforschung dieses gemeinsamen Raumes Ressourcen und Unterstützung. Auf der Homepage des Instituts liest sich das folgendermaßen: „Das Alemannische Institut Freiburg i. Br. e. V. ist - zusammen mit seiner Arbeitsgruppe an der Universität Tübingen - eine Vereinigung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen mit dem Zweck, die fächer- und grenzüberschreitende landeskundliche Erforschung des alemannisch-schwäbischen Sprach- und Siedlungsraumes zu fördern." Dieser - in der heutigen Wissenschaftslandschaft hochaktuelle - Zuschnitt geht bis in die Gründungszeit zurück.

Das Alemannische Institut wurde 1931 durch den Freiburger Zentrumspolitiker und damaligen Reichsinnenminister Joseph Wirth als außeruniversitäre Forschungseinrichtung initiiert. Als Reichstagsabgeordneter und zeitweiliger WirthReichskanzler hatte er schon in den 20er Jahren das Bonner Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande kennen gelernt. In Bonn rückte man die „historische Landschaft" als Referenzpunkt in den Mittelpunkt einer interdisziplinär angelegten Forschung und ersetzte damit die traditionelle Staats- und Dynastengeschichte. Diese innovativen Ansätze faszinierten ihn und dienten ihm als Vorbild für sein Vorhaben.

Vor diesem Hintergrund versuchte Joseph Wirth 1931 die Universität Freiburg als Trägerin des neuen Instituts zu gewinnen. Dort fürchtete man jedoch negative Reaktionen in den Nachbarländern und lehnte ab. Denn diese Idee fügte sich auch in eine Geistesströmung ein, die nach Ende des Ersten Weltkrieges eine stärkere Aufmerksamkeit für das „Auslands- und Grenzlanddeutschtum" forderte und deren Ausformungen von weitgehend unpolitischen Forscherinteressen bis zu deutlichen Forderungen nach Revision der Grenzen reichen konnten.

Daraufhin wandte sich Wirth an die Stadtverwaltung und Oberbürgermeister Karl Bender, die sich bereit erklärten, die Trägerschaft zu übernehmen. 40.000 Reichsmark bildeten den Grundstock für die Errichtung des Instituts, dessen Vorsitz der Oberbürgermeister übernahm. Die inhaltliche Leitung lag anfangs bei einem Kuratorium, das vor allem ur- und frühgeschichtliche Arbeiten förderte, die aber nach der Machtergreifung durch Hitler 1933 zum Erliegen kamen. Im Januar 1934 wurde das bisherige Kuratorium von Seiten der Stadt aufgelöst, um die Arbeit neu auszurichten zu können.

1935 übernahm der Freiburger Ordinarius für mittelalterliche Geschichte Theodor Mayer die wissenschaftliche Leitung, der, obgleich NSDAP-Mitglied, alsbald damit begann, das Alemannische Institut in ein mediävistisch ausgerichtetes Forschungsinstitut umzuwandeln. Das führte in den folgenden Jahren zu einem schwerwiegenden Zerwürfnis zwischen Mayer und dem kulturpolitisch ambitionierten NS-Oberbürgermeister Franz Kerber, dem das Institut zugeordnet war. Nach Mayers Weggang nach Marburg übernahm der Geograph und Mitbegründer der Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften Friedrich Metz kommissarisch die wissenschaftliche Leitung.

Das Alemannische Institut war nicht die einzige Institution, die sich auf diesem potentiell „kriegswichtigen“ Feld der Landeskunde zu profilieren suchte. 1939 wurden im NS-Dozentenbund eine „Alemannische Arbeitsgemeinschaft“ und 1941 an der Universität das „Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Freiburg“ gegründet. Die grundsätzliche Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Politik hielt die Vertreter der einzelnen Einrichtungen nicht von heftigen Konkurrenzkämpfen untereinander ab, in denen es neben inhaltlichen und strukturellen Differenzen immer auch um die Verteilung der Geldmittel ging.

Im Verlauf dieser Auseinandersetzungen kam es nun auch zum Zerwürfnis zwischen Metz und Oberbürgermeister Kerber. Aufgrund der exzellenten Verbindungen von Metz ins Reichsinnenministerium (das die Finanzierung des Instituts bereitstellte) gelang Kerber die angestrebte Absetzung von Metz zwar nicht, aber das Gerangel um die Entscheidungsbefugnisse im Alemannischen Institut dauerte an, bis es 1943 im Rahmen einer Umstrukturierung unter die Aufsicht des Reichssicherhauptamtes kam.

Seit Kriegsausbruch behinderte Personalmangel die wissenschaftlichen Arbeiten, zu denen u.a. die Vorbereitung eines Atlasses des alemannischen Raumes gehörte. Der Bombenangriff auf Freiburg am 27. November 1944 vernichtete schließlich einen Großteil der Unterlagen, die in den Arbeitsräumen des Instituts im Stadtarchiv untergebracht waren. Mit Kriegsende lösten die französischen Besatzungsmächte das Institut in seiner bisherigen Form auf. Es sollte bis zum 15. Februar 1951 dauern, bis das Alemannische Institut, nun als eingetragener Verein, neu gegründet werden konnte.    

Friedrich MetzPrägend für die folgende (Wieder-)Aufbauarbeit war wieder Friedrich Metz, zuerst als Geschäftsführer und stellvertretender Vorsitzender neben dem Theologen Arthur Allgeier, ab 1957 als Vorsitzender. Unablässig bemühte er sich darum, Räume und Geldmittel für das Institut zu beschaffen. Das war nicht ganz uneigennützig, denn er war seit Kriegsende von seiner Tätigkeit an der Universität suspendiert. 1955 schließlich wurde ihm das erste Obergeschoß einer Villa in der Mozartstraße 30 im Freiburger Stadtteil Herdern zugewiesen, in dem sowohl der für Metz neu geschaffene Lehrstuhl für Geographie und Landeskunde als auch das Alemannische Institut untergebracht wurden. Dieses Haus sollte für ein halbes Jahrhundert Domizil des Instituts bleiben.
Ab 1962 folgte eine Phase des Ausbaus und der Konsolidierung. Wolfgang Müller, ein Freiburger Theologe, förderte als Vorsitzender eine offene und dezentrale Arbeitsstruktur, die zu vielfältigen Projekten führte. 1965 gründete sich in Tübingen eine Arbeitsgruppe des Alemannischen Instituts. Die Veranstaltungen wandten sich nun zunehmend an die Öffentlichkeit und vermittelten die Ergebnisse der landeskundlichen Forschungen in die Bevölkerung hinein, insbesondere auch durch Exkursionen, die der Geograph Wolf-Dieter Sick, Vorsitzender seit 1983, besonders betrieb.
Im Herbst 1999 schließlich trat ein Ereignis ein, das beinahe das Ende des Instituts bedeutet hätte: Der Landesrechnungshof Baden-Württemberg unterzog die Arbeit des Instituts einer Prüfung und Bewertung. Ein Jahr später kamen die Prüfer in ihrem Bericht zu dem Ergebnis, dass die Arbeit des Alemannischen Instituts von erheblichem Interesse für das Land Baden-Württemberg sei, die von keiner anderen Einrichtung geleistet werden könne. Nichtsdestotrotz schlug man eine mittelfristige Auflösung vor.
Im Rückblick erwies sich dieser Bericht letztlich als positiv für das Institut, denn er führte nicht nur im Kreis der Mitglieder, sondern auch in der Öffentlichkeit zu intensiven Diskussionen über die Aufgaben des Alemannischen Instituts und zu einer Bestandsaufnahme seiner Leistungen. Gerade die Vernetzung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zur Förderung von grenzüberschreitenden Fragestellungen und fächerverbindender Arbeit wurde nochmals stärker in den Fokus gestellt. Das Institut erfuhr Unterstützung von Seiten der Presse, von hochrangigen Vertretern der Politik und nicht zuletzt von einer breiten Öffentlichkeit, was in der Summe zur Ablehnung der Empfehlung des Rechnungshofes führte.
So konnte das Institut im Dezember 2006 das 75-jährige Jubiläum seines Bestehens feiern. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit seiner Geschichte und die Beiträge zu diesem Fest sind als Band 75 in der Reihe der Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts dokumentiert.
Heute ist das Alemannische Institut eine moderne Forschungseinrichtung, die von Prof. Dr. Werner Konold als ehrenamtlichem Vorsitzenden geleitet wird. Er bildet zusammen mit seinen beiden Stellvertretern Prof. Dr. Dieter Speck und Prof. Dr. Sigrid Hirbodian den Vorstand. Ihnen steht ein wissenschaftlicher Beirat aus den Reihen der Mitglieder beratend zur Seite. Für die GeschäftsstelleGesamtorganisation ist die Geschäftsführerin zuständig.

Im Herbst 2006 ist die Geschäftsstelle in die Innenstadt umgezogen und bietet eine landeskundliche Fachbibliothek mit über 25.000 Bänden, die größtenteils über den digitalen Katalog der Universitätsbibliothek recherchierbar ist und die den Institutsmitgliedern, Studierenden und anderen Nutzern offen steht. Derzeit arbeiten dort sechs Beschäftigte (zum größten Teil in Teilzeit), unterstützt von einer ehrenamtlichen Mitarbeiterin.

Das ‚Herz‘ des Instituts ist jedoch nach wie vor die Kompetenz und das Engagement der Mitglieder: Aus dem Netzwerk ‚Alemannisches Institut‘ erwuchsen in den letzten 75 Jahren zahlreiche wissenschaftliche Tagungen, eine Buchreihe mit über 70 Einzeltiteln, die wissenschaftliche Zeitschrift „Alemannisches Jahrbuch" und eine Vielzahl an Einzelveranstaltungen.
Insbesondere die Tagungen zielen darauf hin, wissenschaftliche Forschung zum alemannischen Raum zu fördern und bekannt zu machen. Das Wissen über die heimatliche Landschaft, um ihre natürlichen Gegebenheiten und ihre historischen Wurzeln, ist für die Entwicklung der persönlichen Identität förderlich, ja notwendig und stärkt die Einbindung des Einzelnen in die Gesellschaft. Hohe Besucherzahlen und positive Resonanz, wie sie zum Beispiel die Tagung „Die Baar als Königslandschaft" erfuhr, zeigen, dass es dafür einen großen Bedarf gibt. An dieser Tagung zur frühmittelalterlichen Archäologie und Geschichte der Baar im März 2008 in Donaueschingen nahmen über 160 Fachleute und Interessierte teil. Die Ergebnisse werden im Lauf des Jahres 2009 als Sammelband erscheinen.

Ein ähnliches Ziel, jedoch mit internationaler Ausrichtung, verfolgen die beiden Exkursionsreihen „Kantone der Schweiz" und „L'Alsace inconnue". Sie ermöglichen es einem breiten Publikum unter wissenschaftlicher Leitung die Schweiz und das Elsass von Seiten kennen zu lernen, die dem touristischen Blick sonst eher verschlossen bleiben.

Darüber hinaus bietet das Institut mit seinen Fachvorträgen ein Forum, um aktuelle Forschungsergebnisse zu präsentieren und interdisziplinär zu diskutieren. Halbjährlich veröffentlicht das Institut Semesterprogramme, die auch als Mail-Erinnerungsservice abonniert werden können.

„Die ‚Herzkammer‘ und das ‚kollektive Gedächtnis‘ der alemannisch-schwäbischen Landschaften", so nannte Staatssekretär Gundolf Fleischer MdL das Alemannische Institut in seiner Festrede zu dessen 75-jährigen Bestehen am 9. Dezember 2006 - dem alemannischen Raum, seinen Menschen und seinen Forschern und Forscherinnen ist zu wünschen, dass es das auch bleibt.

Dieser Text geht auf einen Beitrag in der Zeitschrift "Badische Heimat", Heft 3 (2008), S. 470-473 und den Katalogtext zur Ausstellung "Freiburg im Nationalsozialismus" (in Vorbereitung 2016) zurück. Die Autorin, R. Johanna Regnath, ist Geschäftsführerin des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. e. V.